Sufizentrum Braunschweig
  Rabia al-Adawiya
 

Rabi’a al-Adawiya

 

 

Rabe’a bint Esma’il al-‘Adawiya, war in bescheidene Verhält­nisse geboren und als Kind in die Sklaverei verkauft worden. Später ließ sie sich in Basra nieder, wo sie als Heilige und Predig­erin zu großer Bekanntheit gelangte und von vielen ihrer frommen Zeit­­ge­nossen hoch geachtet wurde. Der Zeitpunkt ihres Todes wird unterschiedlich mit 135 (752) oder 185 (801) angegeben. Sie lebte den Zölibat und ihr wird ein großer Anteil bei der Einführung der Thematik über die Göttliche Liebe in die Islamische Mystik zuge­schrieben. Ihr Grab wird in der Nähe von Jerusalem vermutet.

 

Rabe’a, ihre Geburt und Jugend

 

Wenn jemand die Frage stellt, warum Rabe’a nicht unter die Männer eingereiht wird, so ist die Antwort, dass der Prophet selbst sagte: „Gott achtet nicht auf eure äußere Formen.“ Der Kern dieser Aus­sage ist nicht die Form, sondern die Absicht, so wie der Prophet sagte: „Die Menschen werden gemäß ihrer Absichten auferstehen.“ Außerdem, wenn es angemessen ist, zwei Drittel unserer Religion aus den Händen Aishas zu empfangen, so ist es sicherlich auch zulässig, religiöse Belehrungen von einer Dienstmagd Aishas zu übernehmen. Wenn eine Frau auf dem Wege Gottes ein “Mann” wird, ist sie ein Mann und keiner kann sie mehr Frau nennen.

In der Nacht, als Rabe’a das Licht der Welt erblickte, war in ihres Vaters Haus rein gar nichts vorhanden; denn ihr Vater lebte in sehr ärmlichen Umständen. Er besaß nicht einmal einen Tropfen Öl um ihren Nabel zu salben; es gab weder Licht, noch eine Decke sie einzu­wickeln. Er hatte bereits drei Töchter und Rabe’a war die vierte; daher ihr Name.

Geh zu unserem Nachbar so-und-so und bitte ihn um einen Tropfen Öl, so dass wir wenigstens Licht machen können“, bat ihn seine Frau. Nun hatte der Mann aber einen Schwur getan, keinen Sterblichen um irgendetwas zu bitten. So ging er nur nach draußen, lehnte seinen Kopf an seines Nachbars Tür und kehrte wieder zurück.

Sie machen die Tür nicht auf“, berichtete er. Die arme Frau vergoss bittere Tränen. Betrübt legte der Mann seinen Kopf auf die Knie und schlief ein. Er träumte, dass er dem Propheten begegnete.

Sei nicht traurig“, bat ihn der Prophet, „deine Tochter, die gerade das Licht der Welt erblickte ist eine Königin unter den Frauen, eine Fürsprecherin im Morgen für siebzigtausend aus meiner Gemeinde“, fuhr der Prophet fort, „geh zu Isa e-Zaidan, dem Verwalter von Basra. Gib ihm ein Blatt Papier auf welches du etwa folgendes geschrieben hast: „Jede Nacht sendest du mir hundert Segenswünsche und an einem Freitag vierhundert. Letzte Nacht war Feitag und du hast auf mich vergessen. Als Ersatz dafür übergib diesem Mann vierhundert ehrlich erworbene Dinare.““

Als Rabe’as Vater erwachte, brach er in Tränen aus. Er stand auf und schrieb auf, was ihn der Prophet geheißen hatte und sandte diese Nach­richt über einen Kammerdiener an den Verwalter.

Gib zweitausend Dinar den Armen“, befahl der Verwalter als er das Sendschreiben gelesen hatte, „als Dankeschön an den Herrn für Seine Erinnerung an mich. Und dem Scheich gib auch vierhundert Dinar und sag ihm, dass ich wünsche, er möge zu mir kommen, denn ich will ich sehen, auch wenn ich es nicht für angebracht halte, dass ein Mann, wie er es ist sich zu mir begibt. Vielmehr sollte ich zu ihm kommen und mit meinem Bart seinen Staub kehren. Jedenfalls beschwöre ich ihn bei Gott, wenn er etwas braucht, bitte ich ihn inständig, es mich wissen zu lassen.“

Der Mann nahm das Gold und kaufte damit alles Nötige.

 

Als Rabe’a älter geworden war und ihre Eltern schon gestorben waren, brach eine Hungersnot in Basra aus und die Geschwister wurden getrennt. Rabe’a wagte sich aus dem Haus und wurde von einem verruchten Mann aufgegriffen und für sechs Dirham in die Sklaverei verkauft. Ihr Käufer benutzte sie für harte Arbeit.

Eines Tages ging sie die Strasse entlang, als sie ein Fremder erschreckte. Sie rannte davon, fiel hin und sich das Hand­gelenk verletzte.

Gott, Herr“, schrie sie und beugte ihren Kopf zu Boden, „ich bin ein Fremder, ohne Vater und Mutter, ein hilfloser Gefangener mit gebrochener Hand. Dennoch will ich nicht klagen, weil alles was ich brauche ist Deine Zufriedenheit, zu wissen, ob Dein Wohlgefallen auf mir ruht oder nicht.“

Sei nicht traurig“, vernahm sie eine Stimme, „morgen wirst du einen Platz einnehmen, um welchen dich die Cherubim beneiden.“

Also kehrte Rabe’a zu ihres Herrn Haus zurück. Untertags fastete sie und diente unablässig Gott und in der Nacht stand sie im Gottesdienst bis zum Tagesanbruch.  Eines Nachts wachte ihr Herr auf und sah durchs Fenster Rabe’a in Andacht niedergeworfen zu Gott beten:

O Gott, Du weißt, dass es der Wunsch meines Herzen ist, in Überein­stimmung mit Deinem Befehl zu schlagen und das Licht meines Auges ist es, an Deinem Hof zu dienen. Wenn es an mir läge, nicht einen Moment unterbräche ich mein Gottesdienst, doch selbst hast mich in die Hand eines Geschöpfs gegeben.“

So war ihr Gebet. Ihr Herr nahm eine Laterne wahr, die über ihrem Kopf herunterhing, ohne irgendwo befestigt zu sein und dieses Licht erhellte das gesamte Haus. Als er dies sah, bekam er es mit der Angst zu tun und darüber nachsinnend, konnte bis zum Morgen nicht mehr einschlafen. Am nächsten Tag rief er nach ihr, war sehr freundlich zu ihr und ließ sie frei.

Erlaube mir zu gehen“, sagte Rabe’a und nachdem er sie gehen ließ, verließ sie das Haus und ging in die Wüste. Danach zog sie sich in eine Klause zurück, wo sie sich eine Weile dem Gottesdienst hingab. Anschließend entschied sie die Pilgerreise zu unternehmen und brach in Richtung Wüste auf. Sie packte ihr Bündel einem Esel auf, doch mitten in der Wüste brach der Esel tot zusammen. Ihre Reisegefährten schlugen vor, ihre Last zu übernehmen.

Geht nur weiter“, sagte sie, „ich bin nicht gekommen, um mich euch zu überlassen.“

So setzten die Männer ihre Reise fort und Rabe’a blieb alleine zurück.

O Gott“, weinte sie, „behandeln Könige so eine Frau die alleine und machtlos ist? Du hast mich an Deinen Hof geladen und mitten unterwegs hast Du meinen Esel sterben und mich alleine zurück blei­ben lassen.“

Kaum hatte sie ihre Klage beendet, als sich der Esel bewegte und wieder auf die Beine kam. Sie lud ihm ihre Packen auf und setzte ihre Reise fort. (Der Erzähler dieser Geschichte berichtet, dass er den Esel wieder erkannte, als er auf einem Markt verkauft wurde.) Sie setzte ihre Reise einige Tage durch die Wüste fort bis sie Halt machte:
“O Gott“, rief sie, „mein Herz ist müde. Wohin gehe ich nur? Ich, ein Klumpen Lehm und Dein Haus aus Stein. Ich brauche Dich hier.”

Unmittelbar sprach Gott in ihrem Herzen.

Rabe’a du reist im Lebensblut von achtzehntausend Welten. Weißt du nicht, wie Moses um eine Vision Meiner gebetet hat? Ich habe ein paar Staubkörner der Offenbarung auf den Berg geworfen und der Berg zerfiel in vierzig Teile. Sei also zufrieden hier mit Meinem Namen!“

 

Geschichten über Rabe’a

 

Eines Nachts betete Rabe’a in ihrer Klause, als sie, von Müdigkeit überkommen, einschlief. Sie schlief so fest, dass sein nicht bemerkte, dass ein Halm der Matte auf der sie schlief, abbrach und ihr Auge blutig stieß. Ein Dieb war eingestiegen und hatte ihr Tuch entwendet. Als er sich davonstehlen wollte, fand er den Eingang für ihn ver­schlossen. Er ließ das Tuch fallen und verschwand, nachdem er nun die Türe wieder offen fand. Er kam zurück und griff wieder nach dem Tuch, worauf er wiederum nicht aus dem Haus kommen konnte. So ließ er das Tuch erneut fallen. Dies wiederholte sich siebenmal, als er eine Stimme aus einer Ecke der Klause vernahm.

Mann, tu dir doch solchen Schmerz nicht an. Es sind nun viele Jahre, dass sie sich Uns anvertraut hat. Nicht einmal der Teufel wagt es, sich um sie herum zu treiben. Wie könnte ein Dieb es wagen, um ihr Tuch zu schleichen? Verschwinde Schuft, wenn ein Freund schläft, so ist der andere Freund wach und hält Wache.“

Zwei angesehene unter den Gläubigen kamen Rabe’a besuchen und beide hatten Hunger.

Vielleicht gibt sie uns etwas zu essen“, sagten sie zueinander, „gewiss stammt ihr Essen aus einwandfreier Quelle.“

Als sie saßen, wurde ein Tuch mit zwei Laib Brot vor sie gesetzt. Da waren sie hochzufrieden, als just ein Bettler an der Tür erschien und Rabe’a gab ihm die beiden Brote. Die zwei religiösen Herr­schaften waren verärgert, sagten aber kein Wort. Nach einer Weile trat ein Dienst­mädchen mit einigen frischen, warmen Broten ein.

Meine Herrin schickt dies“, erklärte sie. Rabe’a zählte die Brote. Es waren achtzehn Stück.

Vielleicht war es nicht das, was sie schickte”, bemerkte Rabe’a. Soviel das Dienstmädchen auch darauf bestand, es half ihr nichts. So nahm sie das Brot und trug sie davon. Nun war es aber so, dass sie zwei davon für sich genommen hatte. Sie gestand dies ihrer Herrin, welche die beiden Brote ergänzte und sie wieder zurück schickte. Rabe’a zählte wieder und dieses Mal waren es zwanzig Stück. Nun nahm sie die Brote an.

Das ist es, was mir deine Herrin wirklich geschickt hat“, sagte sie.

Sie brachte die Brote den beiden Herren, welche staunend davon aßen.“

Was ist das Geheimnis hinter dieser Sache?“ fragten sie.

Wir hatten Appetit auf deine Brote, doch die hast du uns weg­genommen und einem Bettler gegeben. Dann sagtest du, dass die achtzehn Brote nicht dir gehörten und als es zwanzig waren, hast du sie angenommen.“

Ich wusste dass ihr hungrig wart, als ihr gekommen seid“, antwortete Rabe’a. „So sagte ich mir, wie kann ich zwei Brote so noblem Besuch auftischen? Als der Bettler kam, gab ich sie diesem und sagte zum Allmächtigen Gott „O Gott, Du hast versprochen zehnfach zu belohnen und daran glaubte ich fest. Nun habe ich, um Dir zu gefallen, zwei Stück gegeben, auf dass Du zwanzig zurück erstatten mögest.“ Und als nun achtzehn zu mir gebracht wurden, wusste ich, dass dabei irgendetwas nicht stimmte oder diese nicht für mich be­stimmt waren.“

Eines Tages wollte das Dienstmädchen Rabe’as ein Zwiebelgericht zubereiten, denn es war schon einige Tage her, dass sie zuletzt gekocht hatten. Da sie zuwenig Zwiebel hatten, sagte sie.

Ich werde beim Nachbarn um welche bitten”.

Vierzig Jahre habe ich nun ein Abkommen mit dem Allmächtigen Gott von niemandem auch nur etwas zu erbitten außer von Ihm, vergiss die Zwiebel“, antwortete Rabe’a.

Sofort kam ein Vogel geflogen, der einige geschälte Zwiebel im Schnabel trug und sie in den Topf fallen ließ.

Ich bin mir nicht sicher, ob dies nicht ein Trick ist“, meinte Rabe’a und sie ließ den Eintopf und aß nur Brot.

Eines Tages war Rabe’a in die Berge aufgebrochen. Bald war sie umgeben von Bergziegen und Hirschen, Steinböcken und wilden Eseln, die sich ihr näherten. Da kam Hasan von Basra der Rabe’a er­blickte und darauf seine Schritte zu ihr hin lenkte. Als die Tiere Hasan bemerkten, stoben sie in alle Richtungen davon und Rabe’a blieb allein zurück. Die stürzte Hasan in Betroffenheit.

Warum sind sie von mir fortgelaufen“, fragte Hasan, „und bei dir waren sie so zutraulich?“

Was hast du heute gegessen?“ fragte Rabe’a den Hasan.

Ein wenig Zwiebeleintopf!“

Du hast ihr Fett gegessen“, merkte Rabe’a an, „sollten sie da nicht vor dir davon laufen?“

Ein anderes Mal ging Rabe’a bei Hasans Haus vorbei. Hasan hatte seinen Kopf aus dem Fenster gesteckt und vergoss bittere Tränen, welche Rabe’as Kleid benetzten. Sie blickte auf, in der Meinung es wäre Regen; doch als sie Hasan weinen bemerkte sagte sie zu ihm.

Meister, dieses Weinen ist ein Zeichen spiritueller Schwäche. Achte auf deine Tränen und lass sie in deinem Inneren zu solch einem Meer anschwellen, dass dein Herz darin versinkt und du es nicht mehr finden magst, außer durch das Bewahren eines Allmächtigen Königs.“

Diese Worte schockierten Hasan, doch bewahrte er seine Fassung. Einige Zeit später sah er Rabe’a in der Nähe eines Sees. Er rollte seinen Gebetsteppich auf dem Wasser aus und rief.

Rabe’a komm her und lass uns zwei Ra’kas beten!“

Hasan“, gab Rabe’a zurück, „wenn du spirituellen Kostbarkeiten auf diesem weltlichen Markt feilhältst, dann sollten diese von solcher Art sein, die deine Mitmenschen nicht besitzen.“

Mit diesen Worten warf sie ihren Gebetsteppich in die Luft und schwang sich darauf.

Hasan“, rief sie, „komm her, wo uns die Leute sehen können!”

Hasan, der diese Fähigkeit noch nicht erworben hatte, blieb still und Rabe’a versucht ihn zu trösten.

Hasan,“ sagte sie, „was du getan hast, machen Fische auch und was ich getan habe, können Fliegen auch tun. Das wirkliche Vermö­gen liegt außerhalb dieser beiden Tricks. Und diesem Geschäft muss man sich völlig hingeben.“

Eines Nachts besuchte Hasan mit zwei oder drei Freunden Rabe’a. In Rabe’as Haus gab es keine Laterne. Rabe’a blies ihre Fingerkuppen an und in dieser Nacht leuchteten ihre Finger wie Laternen bis zum Morgenlicht. Wenn jemand fragt, wie so etwas möglich ist, so antworte ich: „So wie mit der Hand von Moses.“ Und wenn eingewendete wird, dass Moses ein Prophet war, so sage ich: „Wer immer den Fußstapfen eines Propheten folgt, kann ein wenig von deren Gesandtschaft sein eigen nennen, denn der Prophet sagt: „Wer auch nur ein Gramm des Ungesetzlichen zurückweist, hat einen Grad der Prophetenschaft erworben“. Er hat auch gesagt: „Ein wahrer Traum ist ein vierzigstel der Prophetenschaft.““

Eines Tages sandte Rabe’a dem Hasan drei Dinge – ein Stück Wachs, eine Nadel und ein Haar.

Sei wie Wachs“, sagte sie. „Erleuchte die Welt und brenne selbst. Sei wie eine Nadel und arbeite ständig völlig nackt. Wenn du diese beiden Dinge tust, sind tausend Jahre für dich wie ein Haar.“

Willst du für uns beide dass wir heiraten?“ fragte Hasan Rabe’a. „Das Band der Hochzeit gehört für jene, die ein Sein besitzen“, antwortete sie. „In diesem Fall ist alles Sein verschwunden, denn mein Selbst ist zu nichts geworden und ich existiere nur durch Ihn. Ich gehöre ganz Ihm und ich lebe im Abglanz seiner Herrschaft. Du musst um meine Hand von Ihm bitten, nicht von mir.“

Wie hast du dieses Geheimnis denn entdeckt?“ fragte Hasan.

Ich habe alles „Entdeckte“ in Ihm verloren,“ antwortete Rabe’a.

Wie kennst du Ihn?” fragte Hasan weiter.

Du kennst das WIE und ich kenne das „WIE-LOSE““, sagte Rabe’a.

Einmal sah Rabe’a einen Mann mit einem Verband um seinen Kopf.

Warum hast du diesen Verband umgebunden?“ fragte sie.

Weil mich mein Kopf schmerzt“, gab der zurück.

Wie alt bist du?“ wollte Rabe’a wissen.

Dreißig“, antwortete er.

Hast du den größeren Teil deines Lebens in Schmerz und Qual verbracht?“ fragte sie.

Nein“, antwortete der Mann.

Dreißig Jahre lang hast du dich guter Gesundheit erfreut“, merkte sie an“, und niemals in dieser Zeit hast du dir den Verband der Dankbarkeit umgebunden. Und wegen dieser einen Nacht, in der du Kopfweh hast, bindest du dir den Verband des Klagens um?“

 Ein anderes Mal gab Rabe’a einem Mann vier Silber Dinar.

Kauf mir eine Decke“, sagte sie, „denn ich bin nackt.“

Der Mann ging, kam jedoch gleich wieder zurück.

Herrin“, fragte er, „welche Farbe soll ich nehmen?“

Was hat Farbe mit der Sache zu tun?“ wollte Rabe’a wissen, „gib mir mein Geld zurück.“ Und sie nahm das Geld und warf es in den Tigris.

An einem schönen Frühlingstag steckte Rabe’a einmal ihren Kopf aus ihrem Zimmer.

Herrin“, sagte ihre Magd, „komm heraus und sieh, was der Macher (Gott) gefertigt hat.“

Besser du kommst herein“, erwiderte Rabe’a, „und siehst den Macher. Die Betrachtung des Machers beansprucht mich gänzlich, sodass ich das, was er gemacht hat gar nicht beachte.“

Einige Leute kamen sie besuchen und sahen, wie sie ein Stück­chen Fleisch mit den Zähnen zerteilte.

Hast du kein Messer das Fleisch zu zerschneiden?“ fragten sie.

Ich hatte nie ein Messer im Haus, aus Angst abgeschnitten zu werden“, antwortete sie.

Einmal fastete Rabe’a eine ganze Woche lang, ohne zu essen oder zu schlafen. Die ganze Nacht verbrachte sie im Gebet und ihr Hunger überschritt alle Grenzen. Ein Besucher kam und brachte eine Schüssel mit Essen. Rabe’a nahm sie an und ging eine Lampe holen. Als sie zurück kam sah sie, dass die Katze die Schüssel umgeworfen hatte.

Ich werde einen Krug holen und mein Fasten brechen“, sagte sie.

Als sie mit dem Krug kam musste sie bemerken, dass die Lampe verlöscht war. So versuchte sie im Dunkel aus dem Krug zu trinken, der ihr aber aus der Hand glitt und am Boden zerbrach. Sie brach so sehr in Klagen und Seufzen aus, dass man fürchten musste, das ganze Haus würde in Flammen vergehen.

O Gott“, rief sie, „was treibst Du mit Deinem hilflosen Diener?“

Pass auf“, vernahm sie eine Stimme, „wenn du willst, dass ich allen weltlichen Segen über dir ausgieße, so entferne alle deine Sorgen um Mich aus deinem Herzen. Denn die Sorge um Mich und welt­licher Segen kann in einem Herzen nicht zusammen sein. Rabe’a du begehrst eine Sache und Ich begehre eine andere. Mein Begehr und dein Begehr kann ein einzelnes Herz nicht fassen.“

Als ich diese Zurechtweisung vernahm“, erzählte Rabe’a, „schnitt ich mein Herz ab von der Welt und beschnitt meine Wünsche, dass wann immer ich in den letzten dreißig Jahren gebetet habe, ich davon ausging, es wäre mein letztes Gebet.“

Eine Gruppe von Männern besuchte sie einmal um sie zu testen und sie bei einer unbedachten Äußerung zu ertappen.

Alle Tugenden wurden auf die Köpfe der Männer verteilt“, sagten sie. „Die Krone des Prophetentums wurde auf ihre Köpfe gesetzt, mit dem Band des Adels wurden ihre Hüften gegürtet. Keine Frau war jemals eine Prophet.“

Das ist alles richtig“, erwiderte Rabe’a, „doch Egoismus und die Anbetung des eigenen Ichs und „Ich bin euer Herr, der Allerhöchste“ drang niemals aus einer Frauen Brust. Keine Frau war jemals ein Hermaphrodite. Das alles sind die Eigenheiten der Männer.”

Einmal war Rabe’a sehr krank geworden. Sie wurde gefragt, was wohl der Grund dafür wäre.

Ich erhaschte einen Blick auf das Paradies“, sagte sie, „und mein Herr wies mich zurecht.“

Hasan von Basra ging sie besuchen und er berichtete.

Ich sah einen der noblen Herrn aus Basra in Tränen vor Rabe’as Tür stehen und ihr eine Börse voll Gold anbieten. Ich fragte ihn: „Herr warum weinst du?“ „Wegen dieser geheiligten Frau unserer Zeit“, antwortete er. „Wenn der Segen ihrer Anwesenheit die Menschheit verlässt, so werden die Menschen gewiss untergehen. Ich habe ihr etwas gebracht um ihre Pflege zu gewährleisten und ich fürchte sie wird es nicht annehmen. Willst du sie zur Annahme bewegen?“

Hasan trat ein und sprach mit ihr. Rabe’a blickte zu ihm auf und sagte,

Er kümmert sich um jene, die Ihn beleidige, sollte Er sich um jene kümmern, die Ihn lieben? Seit ich Ihn kenne, habe ich Seinen Geschöpfen den Rücken gewandt. Ich weiß nicht ob das Vermögen irgendeines Mannes mir erlaubt ist; wie kann ich es dann annehmen? Bei dem Licht der Lampe der Welt habe ich ein Hemd genäht, welches ich nun zerrissen habe. Für kurze Zeit war mein Herz besorgt, bis ich erinnerte……

 

Abd al Wahid-e Amir erzählt folgendes.

Mit Sufiyan-e Thauri ging ich Rabe’a besuchen, als sie krank war, doch aus lauter Ehrfurcht vor ihr konnte ich sie nicht ansprechen.

Sag du etwas“, sagte ich zu Sufiyan.

Wenn du ein Gebet sprichst“, sagte Sufiyan zu Rabe’a, „dann wird dein Leiden gelindert.“

Weißt du nicht Wessen Wunsch es ist, dass ich leide?“ wollte Rabe’a wissen, „ist es nicht Gott?“

Ja“, stimmte Sufiyan zu.

Wie kommt es, dass du das weißt“, wollte Rabe’a wissen, “und trotz­dem willst, dass ich das Gegenteil von dem wünsche, was Er will? Es ist nicht richtig, dem Freund zu widersprechen.“

Brauchst du irgendetwas, Rabe’a“, wollte Sufiyan wissen.

Sufiyan, du bist ein gelehrter Mann. Warum redest du so? „Brauchst du irgendetwas.“ Bei der Ehre Gottes,“ warf Rabe’a ein, „zwölf Jahre sehne ich mich nach frischen Datteln und du weißt, dass in Basra frische Datteln nicht schwer zu kriegen sind und doch habe ich bislang keine gegessen; denn ich bin Sein Diener und was hat ein Diener zu verlangen? Wünschte ich und mein Herr wünscht nicht, wäre dies Untreue. Du musst nur wünschen was Er wünscht, um ein wahrhaftiger Diener Gottes zu sein. Wenn Gott von Sich aus gibt, ist dies eine andere Sache.“

Sufiyan schwieg betreten. Nach einer Weile sagte er,

Da man also nicht über deine Situation sprechen kann, sag etwas über die meine.“

Du bist ein guter Mann, doch wirklich liebst du diese Welt“, erwiderte Rabe’a. „Du liebst es die Überlieferungen zu zitieren.“ Dies erwähnte sie implizierend, dass dies eine hohe Sache wäre.

Herr, Gott“, schrie Sufiyan tief bewegt, „Sei zufrieden mit mir!“

Schämst du dich nicht“, unterbrach Rabe’a, „die Zufriedenheit von Einem zu verlangen, mit dem du selbst nicht zufrieden bist?“

Malek-e Dinar erzählt folgendes.

Ich ging Rabe’a besuchen und sah bei ihr einen gebrochenen Krug aus dem sie trank und mit dem sie die rituellen Waschungen vollzog, eine alte Schilf Matte und einen Ziegel, den sie gelegentlich als Polster benutzte. Ich war bestürzt.

Ich habe reiche Freunde“, sagte ich ihr, „wenn du willst, lasse ich dir von ihnen einiges bringen.“

Malik, du hast einen groben Fehler gemacht“, war ihre Antwort, „ist ihr und mein Versorger nicht ein und der selbe?“

Ja“, antwortete ich.

Und vergisst dieser Versorger die Armen weil sie arm sind? Oder gedenkt dieser Versorger der Reichen aufgrund ihres Reichtums?“

Nein“, erwiderte ich.

Dann“, fuhr sie fort, „kennt er doch meine Lage, warum sollte ich Ihn dann daran erinnern? So ist Sein Wille, und auch ich will, was Er will.“

Eines Tages gingen Hasan von Basra, Malek-e Dinar und Shaqiq Balkhi Rabe’a an ihrem Krankenbett besuchen.

Der ist nicht wahrhaftig in seinem Anspruch“, begann Hasan, „der nicht tapfer die Peitsche seines Herrn erträgt.“

Diese Worte stinken vor Egoismus“, kommentierte Rabe’a.

Der ist nicht wahrhaftig in seinem Anspruch“, versuchte es Shaqia, „der nicht dankbar für den Hieb seines Herrn ist.“

Wir brauchen etwas besseres als das“, bemerkte Rabe’a.

Der ist nicht wahrhaftig in seinem Anspruch“, bot Malek-e Dinar an, „der sich nicht über den Hieb seines Herrn freut.“

Wir brauchen etwas besseres als das“, wiederholte Rabe’a.

Dann sag du“, drängten sie.

Der ist nicht wahrhaftig in seinem Anspruch“, formulierte Rabe’a, „der beim Hieb seines Herrn nicht Seiner zu gedenken vergisst.“

Ein führender Gelehrter Basras besuchte Rabe’a an ihrem Kranken­­bett. Er saß neben ihrem Kopfkissen und schimpfte auf die Welt.

Du liebst die Welt ziemlich viel“, bemerkte Rabe’a. „Liebtest du sie nicht, würdest du nicht so viel Aufsehens wegen ihr machen. Es ist immer der Käufer, der die Ware herabsetzt. Wenn du über die Welt  hinweg wärst, würdest du sie weder im Guten noch im Schlechten erwähnen. Doch so wie es ist, erwähnst du sie deswegen so häufig, wie das Sprichwort sagt, „wer ein Ding liebt, erwähnt es oft“.

Als die Zeit kam, dass Rabe’a sterben sollte, verließen die, welche an ihrem Sterbett standen den Raum und schlossen die Tür. Da wurde eine Stimme vernehmlich. „O du befriedete Seele, kehre zufrieden zu deinem Herrn zurück“. Einige Zeit verging und kein Laut war mehr aus dem Raum zu vernehmen, so öffneten sie die Tür, schauten hinein und bemerkten, dass Rabe’a ihren Geist aufgegeben hatte. Danach schauten sie einige im Traum und sie wurde gefragt. „Wie kamst du mit Munkar und Nakir zurecht?“ Sie antwortete.

Diese Jugendlichen kamen zu mir und fragten: „Wer ist dein Herr?“ Ich antwortete ihnen. „Geht zu Gott zurück und sagt Ihm: „Unter so vielen tausenden und abertausenden Geschöpfen hast du eine so alte schwache Frau nicht vergessen. Ich, der ich nur Dich in der ganzen weiten Welt habe, werde Dich nie vergessen, Dir nie vergessen, dass Du mir jemanden schicktest, der mich fragte: „Wer ist dein Gott?““

 

Gebete der Rabe’a

 

O Gott, was immer du für mich an weltlichen Gütern für mich vorgesehen hast, gib dies Deinen Feinden; und was immer Du für mich in der nächsten Welt vorgesehen willst, gib es Deinen Freunden, denn Du bist mir genug.

O Gott, wenn ich Dich anbete aus Angst vor der Hölle, so verbrenne mich in ihr; und wenn ich Dich anbete aus Hoffnung auf das Paradies, so verwehre mir dies; doch wenn ich Dich wegen Deiner Selbst anbete, so versage mir nicht Deine ewige Schönheit.

O Gott, meine ganze Beschäftigung, all mein Sehnen in dieser Welt der weltlichen Dinge, ist Deiner zu gedenken; und in der nächsten Welt und unter allen Dingen der nächsten Welt, ist es, Dir zu begegnen. Das ist es, von meiner Seite – nun verfahre wie auch immer Du es wünscht.


Geschichten aus dem

Tadhkirat al-Auliya’

(Erinnerung an die Heiligen)

von Farid ud-Din ATTAR

Übersetzt von M.M. Hanel

 

 
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