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Manazil as-Sairin (Stationen der Wegschreiter)
Abdullah Ansari Shrine Complex, Gazargah, Afghanistan
Allah sprach: „Sprich: Ich ermahne euch zu einem allein: Tretet vor Allah hin!“(Sure 34,46) Das Hintreten vor Allah ist das Erwachen vom Schlummer der Gleichgültigkeit und das Aufstehen aus dem Schlamm der Lauheit. Es ist das Erste, wodurch das Herz des Menschen mit Leben erhellt wird, weil es das Licht der Ermahnung erblickt.
Das Erwachen besteht in drei Dingen. Erstens darin, dass das Herz die Wohltaten Allahs betrachtet, ohne Hoffnung, sie zählen und ihre Grenzen feststellen zu können und dass man sich ganz frei macht für die Erkenntnis, der in ihnen erwiesenen Gnade und das Wissen um die eigene Unzulänglichkeit in dem, was man für sie schuldig ist. Zweitens darin, dass man sich seine Missetaten vor Augen hält, die Gefahr in ihnen erkennt, sich daran macht, sie wiedergutzumachen, sich von ihren Schlingen frei macht und sein Heil darin sucht, dass man sie ablegt. Drittens darin, dass man zur Erkenntnis seines Wachsens und Abnehmens in den Tagen seines Lebens erwacht, sich davon lossagt, sie zu vergeuden und Sorge trägt, mit ihnen zu geizen, damit der Schaden für die Entschwundenen behoben werden und die noch Geblieben wohl gedeihen.
Die Erkenntnis der Wohltaten Allahs wird rein durch drei Dinge: durch das Licht des Verstandes, durch die Beobachtung des Blitzes, der den Regen der Gnade ankündigt und dadurch, dass man sich die Heimgesuchten zur Warnung nimmt. – Das Vor-Augen-Haben der Missetaten wird gesund durch drei Dinge: durch die Verherrlichung Allahs, die Erkenntnis des Nefs und der Glaube an die Drohung Allahs. Die Erkenntnis des Wachsens und Abnehmens in den Tagen des Lebens wird richtig durch drei Dinge: durch das Hinhören auf das religiöse Wissen, das Eingehen auf die Forderungen der Ehrfurcht (Taqwa) und die Gefährtenschaft mit den Frommen.
Das Fundament von alledem aber ist das Ablegen der Gewohnheiten.
Abdullah Ansari Shrine Complex
Der Verzicht
Allah sprach: „Allahs Güte ist besser für euch“(11,86). Der Verzicht ist die vollständige Beseitigung des Verlangens nach etwas. Für die gewöhnlichen Gläubigen ist er ein Mittel, sich Allah zu nahen, für den Novizen eine Notwendigkeit, für die Hawas (Elite) etwas Gemeines. Es gibt davon drei Grade. Der erste Grad ist der Verzicht auf das Zweifelhafte nach dem Lassen vom Verbotenen, weil man sich vor dem Tadel hütet, die Fehlerhaftigkeit verabscheut und eine Abneigung hegt gegen den Umgang mit den Frevlern. Der zweite Grad ist der Verzicht auf das Überflüssige und alles, was über die lebensnotwendige und hinreichende Nahrung hinausgeht, indem man sich das Freiwerden für die Pflege des „Jetzt“ zu eigen macht, die innere Unruhe ausschaltet und sich mit dem Schmuck der Propheten und Rechtschaffenen schmückt. Der dritte Grad ist der Verzicht auf den Verzicht durch drei Dinge: durch die Geringschätzung dessen, worauf du verzichtest; dadurch, dass du die Zustände für gleichbedeutend hältst; dadurch, dass du keine Selbsttätigkeit mehr siehst, indem du deinen Blick in das Tal der Wirklichkeiten lenkst.
Die Armut
Allah sprach: „Ihr Menschen! Ihr seid es, die arm und auf Allah angewiesen sind.“ Armut ist eine Bezeichnung dafür, dass man davon frei ist, etwas als seinen Besitz zu sehen. Es gibt davon drei Grade. Der erste Grad ist die Armut der Asketen. Sie besteht darin, dass man sich vom Diesseits lossagt, indem man es weder festhält noch sucht, dass man die Zunge dazu bringt, über es zu schweigen, indem man es weder tadelt noch lobt und dass man ihm heil entkommt, indem man es weder sucht noch ihm entsagt. Das ist die Armut, deren Adel man erörtert hat. Der zweite Grad besteht darin, dass man auf die Präzedenz Allahs zurückkommt, indem man die göttliche Huld vor Augen hat. Das bewirkt die Befreiung vom Hinschauen auf die eigenen Werke und schaltet die Betrachtung der Zustände aus und reinigt von den Makeln des Achtens auf die Standplätze(Makam). Der dritte Grad ist vollkommenes Gezwungensein, Hineingeratensein in die Gewalt des Losgetrenntseins in Alleinsein und Gefangensein in der Fessel der Selbstentäußerung. Das ist die Armut der Sufis.
Der Reichtum
Allah sprach: „Und er hat dich bedürftig gefunden und reich gemacht“
Die Sehnsucht
Allah sprach: „Wer hofft Allah zu begegnen – die Zeit die Allah festgesetzt hat wird bestimmt kommen“ Die Sehnsucht ist das stürmische Drängen des Herzens nach etwas Abwesendem. Nach der Lehre der Sufis ist die Mangelhaftigkeit der Sehnsucht gewaltig. Denn Sehnsucht hat man nur nach Abwesenden, die Lehre der Sufis aber ist auf der Schau gegründet. Diese Mangelhaftigkeit wegen hat der Koran ihren Namen nicht genannt.
Sodann gibt es von ihr drei Grade. Der erste Grad ist die Sehnsucht des Gottesdieners nach dem Paradies, damit der Sichfürchtende Sicherheit finde, der Traurige froh werde und der Hoffende Besitz ergreife. Der zweite Grad ist eine Sehnsucht nach Allah, gesät von der Liebe, die an den Ufern der göttlichen Gunsterweise wächst. Das Herz der Menschen hält sich fest an Allahs hochheiligen Eigenschaften und darum seht er sich nach der Anschauung der Freundlichkeiten seiner Großmut, der Wunderwerke seiner Güte und der Zeichen seiner Huld. Diese Sehnsucht – die empfangene Wohltaten dämpfen sie, die erfahrenen Freuden bekämpfen sie, die Geduld misst mir ihr die Kräfte. Der dritte Grad ist ein Feuer, das die reine Liebe entzündet hat. Es verdirbt den Lebensgenuss und raubt die Behaglichkeit und kein Trost kann ihm wehren außer der Begegnung mit Allah.
Reichtum bedeutet mangelloses Besitzen. Es gibt davon drei Grade. Der erste Grad ist der Reichtum des Herzens. Er ist das Nichtgebundensein des Herzens an Zweitursachen, sein Versöhntsein mit dem göttlichen Beschluss und sein Freisein von Widersetzlichkeit. Der zweite Grad ist der Reichtum der Seele. Er ist ihr Verharren bei dem von Allah Gewünschten, ihr Heilsein von dem von Allah gehassten und ihr Freisein von der Augendienerei. Der dritte Grad ist das Genughaben an Allah. Davon gibt es drei Stufen. Die erste Stufe ist die Schau des Denkens Allahs an dich, die zweite ist die dauernde Einsicht in seine Priorität, die dritte ist die Erlangung des Gottfindens.
Abdullah Ansari Shrine Complex
Auszüge: Islamische Mystik, Richard Gramlich
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