Sufizentrum Braunschweig
  Hasan al-Basri
 

Hasan von Basra

 

 

Al-Hasan ibn Abi ‘l Hasan al-Basri wurde im Jahr 21 n.H. (642 n.Chr.) als Sohn eines Sklaven, der in Maisan gefangen genommen wurde und später ein Auftraggeber von Zaid ibn Thabet, dem Sekretär des Propheten Muhammad gewesen war, in Medina geboren. In Basra erzogen, traf er viele der Gefährten des Propheten, und auch, so wird erzählt, siebzig von jenen, welche die Schlacht um Badr geschlagen hatten. Er wuchs auf, um eine der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit zu werden und wurde für seine kompromisslose Frömmigkeit und der unverblümten Verurteilung der Weltlichkeit in den Palästen bekannt. Die Theologen der Mu’tazeliten vereinnahmen ihn als den Gründer ihrer Bewegung (‘Amr ibn ‘Obaid and Wasel ibn ‘Ata’ werden unter seine Schüler gezählt) und in den Sufi Analen wird er als einer der größten Heiligen des frühen Islams genannt. Er starb 110 (728) in Basra. Viele seiner Vorträge – er war ein brillanter Redner – und Aussprüche werden von arabischen Autoren zitiert und eine nicht geringe Anzahl seiner Briefe blieben erhalten.

 

Hasan von Basras Eintritt in den Islam

 

Der Beginn seines Eintritts in den Islam trug sich folgender­maßen zu. Er war ein Edelsteinhändler und wurde der „Perlen-Hasan“ genannt. Er trieb Handel mit Byzanz und hatte es dabei mit Caesars Generälen und Ministern zu tun. Als er einmal in Byzanz war, besuchte er den Premierminister und unterhielt sich eine Weile mit diesem.

Wir gehen jetzt an einen bestimmten Ort, wenn du einverstanden bist“, sagte der Minister zu ihm.

Wie du es bestimmst, bin ich damit einverstanden“, antwortete ihm Hasan.

Daraufhin ließ der Minister ein Pferd für Hasan bringen. Sie saßen auf und ritten fort. Als sie bis ins Wüstengebiet gelangt waren, erblickte Hasan ein Zelt aus feinstem byzantinischem Brokat, mit seidenen Seilen fest an goldenen Zeltpflöcken verankert. Sie hielten an dessen Seite und alsdann erschien eine mächtige Armee, in schwerer Kriegsrüstung, umrundete das Zelt und nachdem einige Worte gesprochen wurden, rückte sie wieder ab. Alsdann erschienen an die vierhundert Philosophen und Gelehrte, die ebenfalls das Zelt umrundeten, ein paar Worte sprachen und wieder verschwanden. Danach tauchten dreihundert weise, alte, weißbärtige Männer auf, auch sie umrundeten das Zelt, sprachen einige Worte und gingen wieder fort. Darauf hin kamen mehr als zweihundert schöne, mondgesichtige Jungfrauen, jede von ihnen trug ein goldenes, mit Silber und Endelsteinen geschmücktes Tablett und auch sie umrundeten das Zelt, sprachen einige Worte und wandten sich wieder fort.

Hasan erzählte, dass er völlig verblüfft und verwundert war und sich fragte, was das wohl auf sich gehabt hatte.

Als wir absaßen“, so erzählte er weiter, „fragte ich den Minister.

Er sagte, dass der Caesar einen Sohn von unübertroffener Schönheit, gebildet in allen Wissen­schaf­ten und ohnegleichen in der Arena der Männlichkeit gehabt hatte, den er aus ganzem Herzen liebte.“

Unvermutet war dieser krank geworden - so erzählte Hasan gemäß des Ministers Bericht. Keinem der hoch qualifizierten Ärzten vermochte seine Heilung gelingen und schließlich verstarb er und wurde in genau diesem Zelt begraben und einmal im Jahr kämen die Leute hier heraus, um ihn zu besuchen. Zuerst marschiert die Armee auf, umrundet das Zelt und man spricht folgendes: „O Prinz, wenn das Übel, welches dich befallen hat im Krieg erschienen wäre, hätten wir alle unsere Leben für dich geopfert um dich zurück zu erobern. Doch die Umstände die dich trafen hält jener in Händen, gegen den wir nicht kämpfen können, den wir nicht herausfordern können.“ So sagen sie und kehren dann zurück.

Die Philosophen und Gelehrten, die anschließend erscheinen sprechen: „Gegen jenen, welcher deine Verfassung verursachte, kann all unsere Gelehrsamkeit, Philosophie, Wissenschaft und unser Denken nicht an. Denn alle Philosophen der Welt sind vor ihm machtlos und alle Gelehrten unwissend im Hinblick auf sein Wissen. Wäre es anders, hätten wir Heilmittel eingesetzt und Worte gesprochen, gegen die es in aller Schöpfung keinen Widerstand gegeben hätte.“ So ist ihre Rede und dann kehren sie zurück.

Als nächstes kommen die ehrwürdigen Alten und sagen folgendes: „O Prinz, wenn diese Umstände, die dich getroffen haben durch die Intervention der Ältesten zurecht gerückt hätten werden können, so hätte wir alle demütig darum gebeten und sie von dir abgewendet. Doch diese Umstände wurden von einem über dich gebracht, gegen den der Einwand eines Sterblichen nichts nützt.“ So sprechen sie und verlassen den Ort.

Nun erscheinen die schönen Jungfrauen mit ihren goldenen, mit Edelsteinen geschmückten Tellern, umrunden das Zelt und sagen: „Sohn des Caesar, wenn die Umstände welche dich betrafen durch Schönheit und Reichtum hätten von dir abgewendet werden können, hätten wir uns aufgeopfert und große Summen hingegeben und dich nicht im Stich gelassen. Doch der, welche diese Umstände über dich brachte, beachtet weder Reichtum noch Schönheit.“ Danach kehren auch sie zurück.

Dann betritt der Ceasar selbst mit seinen Ministern das Zelt und spricht: „O Auge und Licht deines Vaters, O Frucht deines Vaters Herzen, O du von deinem Vater innig Geliebter, was kann die Hand deines Vaters ausrichten? Dein Vater brachte ein mächtiges Heer, er brachte Wissenschaftler und Gelehrte, Fürsprecher und Berater, schöne Jungfrauen, Reichtum und allen erdenklichen Luxus. Wenn das alles irgendeinen Nutzen hätte, würde dein Vater alles tun, was in seiner Macht stünde. Doch diese Umstände wurden von einem über dich gebracht, gegenüber dem dein Vater, mit all seiner Macht, seinem Staatsapparat, seiner Armee und seinem Gefolge, seinem Luxus und Reichtum, gar nichts vermag. Friede sei mit dir, bis nächstes Jahr.“ Nachdem er dies gesagt hat, kehrt auch er zurück.

Diese Worte des Ministers bewegten Hasan so sehr, dass er ganz außer sich geriet. Sofort traf er Vorkehrungen für seine Rückkehr. In Basra angekommen, schwor er einen Eid nie wieder zu lachen, bis ihm sein endgültiges Schicksal klar geworden wäre. Er gab sich von da an mit einer Disziplin, die keiner seiner Zeit hätte aufrechterhalten können, aller Art von Andacht, Entbehrungen und Bußübungen hin.

 

Hasan von Basra und Abu Amr

 

Es wird erzählt, dass Abu Amr, die führende Autorität in der Rezitation des Qur’ans, als er eines Tages Qur’anunterricht gab, einen wunderschönen Knaben seine Klasse betreten sah. Abu Amr sah den Knaben auf unziemliche Art an und vergaß von diesem Moment an den gesamten Qur’an von A „Alles Lob“ bis zum n „Dschinn und der Menschen“. Ein Feuer ergriff ihn und er verlor völlig seine Beherrschung. In diesem Zustand rief er nach Hasan von Basra und beschrieb ihm seine üble Situation. „Meister“, weinte er bitterlich „so ist die Lage. Mir ist der komplette Qur’an entfallen.”

Hasan war verzweifelt, als er davon erfuhr.

Es ist die Zeit für die Pilgerfahrt gekommen”, sagte er, „geh und verrichte sie und wenn du damit fertig bist, begib dich zur Moschee von Khaif. Dort wirst du einen alten Mann in der Gebetsnische sitzen finden. Verschwende seine Zeit nicht und warte bis er mit allem fertig ist. Dann bitte ihn, für dich zu beten.“

Abu Amr tat wie ihm gesagt war. Er saß also in einer Ecke der Moschee und sah einen ehrwürdigen alten Mann, der von einer Menge Leute umgeben war. Es verging einige Zeit, als ein Mann mit fleckenlos weißem Gewand eintrat. Die Leute machten ihm Platz, grüßten ihn und sprachen mit ihm. Als die Stunde des Gebets kam, verließ der Mann die Moschee und die Leute mit ihm, so dass der alte Mann alleine zurückblieb.

Abu Amr ging hin zu ihm und grüßte ihn.

Im Namen Allahs, hilf mir“, flehte er und schilderte seine Not.

In höchster Anteilnahme richtete der alte Mann seinen Blick zum Himmel.

Er hatte seinen Kopf noch nicht wieder gesenkt“, erinnerte sich Abu Amr, „als der Qur’an mir zurückkam. Voll Freude fiel ich ihm zu Füßen.“

Wer hat mich dir empfohlen?“ fragte der ehrwürdige Alte.

Hasan von Basra“, antwortete Abu Amr. “Jeder der Glauben (iman) hat wie Hasan”, bemerkte der alte Mann, “wie bedarf ein solcher eines anderen? Nun, Hasan hat mich aufgedeckt, so will ich das gleiche mit ihm tun. Er hat meinen Schleier zerrissen, so will ich denn auch seinen Schleier reißen. Dieser Mann“ fuhr er fort, „der im weißen Gewand, der nach dem Nachmittagsgebet bei uns eintrat und vor allen anderen wieder ging, den die anderen begrüßten – das war Hasan. Jeden Tag betet er das Nachmittagsgebet in Basra und kommt dann her, wir sprechen miteinander und dann kehrt er nach Basra für das Abendgebet zurück. Jeder der einen Glauben wie Hasan besitzt, warum sollte er mich um ein Gebet fragen?“

 

Hasan von Basra und der Feueranbeter

 

Hasan hatte einen Feueranbeter als Nachbar mit Namen Simeon. Simeon wurde todkrank und war knapp davor zu sterben. Freunde Hasans baten ihn, einen Nachbarn zu besuchen; er folgte diesem Ruf und suchte den Kranken auf, der in seinem Bett, mit Ruß geschwärztem Gesicht lag.

Fürchte Gott“, war Hasans Rat. „Dein ganzes Leben hast du inmitten Feuer und Rauch verbracht. Nimm den Islam an, dass Gott mit dir Erbarmen haben möge.“

Drei Dinge halten mich davon ab Muslim zu werden“, antwortete der Feueranbeter. „Das erste ist, dass du schlecht von der Welt sprichst und dennoch verfolgst du Tag und Nacht weltliche Angelegenheiten. Zweitens sagst du, der Tod wäre eine Tatsache, der man ins Auge blicken muss und dennoch triffst du keine Anstalten ihm zu begegnen. Und drittens sagst du, dass man Gottes Antlitz erblicken wird und dennoch tust du alles ganz im Widerspruch zu Seinem Wohlgefallen.“

Dies ist das Merkmal jener, die wirklich wissen“, sagte Hasan. „Wenn Gläubige sich so verhalten wie es beschreibst, was hast du zu sagen? Sie bezeugen die Einzigkeit Gottes; wohingegen du dein Leben mit Feueranbeten verbracht hast. Du hast siebzig Jahre lang das Feuer verehrt und ich habe solches nie getan – und dennoch werden wir beide in die Hölle verbracht. Uns beide wird die Hölle verschlingen. Gott wird dich nicht beachten; doch so Gott will, wird das Feuer es nicht wagen, mir auch nur ein Härchen zu versengen. Denn das Feuer wurde von Gott erschaffen, und das Geschöpf ist dem Schöpfer untertan. Also komm, der du siebzig Jahre das Feuer verehrt hast, lass uns beide unsere Hände in das Feuer halten und darin belassen, dann wirst du mit eigenen Augen die Kraftlosigkeit des Feuers und die Allmacht Gottes erkennen.“

Mit diesen Worten hielt Hasan seine Hände ins Feuer. Nicht ein bisschen wurden sie verbrannt. Als Simeon dies sah, war er erstaunt. Der Morgen des wahren Wissens brach an.

Siebzig Jahre lang habe ich das Feuer verehrt“, stöhnte er, „und jetzt verbleiben mir nur noch wenige Atemzüge. Was soll ich tun?“

Werde Muslim“, war Hasans Antwort.

Wenn du es mir schriftlich gibst, dass Gott mich nicht bestrafen wird“, sagte Simeon, „dann will ich glauben. Aber bevor ich es nicht schriftlich habe, werde ich nicht glauben.“

Hasan schrieb es nieder. „Nun lass aufrichtige Zeugen aus Basra kommen und ihre Beglaubigung darunter setzen.“ Dann vergoss Simeon eine Menge Tränen, bezeugte den Glauben und teilte Hasan seinen letzten Willen mit.

Wenn ich sterbe, bitte sie mich zu waschen und dann mit eigenen Händen in die Erde zu legen und dieses Dokument in meine Hände zu legen. Dieses Dokument wird mein Beweis sein.“ 

Nachdem er Hasan zu all dem verpflichtet hatte, sprach er das Glaubenbekenntnis und verstarb. Sie wuschen seinen Körper, sprachen das Totengebet über ihm und begruben ihn mit dem Dokument in seiner Hand. Diese Nacht ging Hasan zu Bett und dachte lange darüber nach, was er getan hatte.

Wie kann ich einem Ertrinkenden helfen, wenn ich selbst am Ertrinken bin? Habe ich doch nicht mal die Kontrolle über meinen eigenen Glauben, wie konnte ich es wagen, Gott vorzuschreiben, was Er zu tun hätte?“ Über diesen Gedanken schlief er ein. Im Traum sah er Simeon leuchten wie eine Kerze, mit einer Krone auf dem Haupt, in feinstes Gewand gekleidet, lächelnd im Paradiese wandeln.

Wie geht es dir, Simeon?“ fragte Hasan.

Warum fragst du? Du siehst doch selbst“, antwortete Simeon. “Gott der Allmächtige brachte mich in Seiner Güte in Seine Gegenwart und lies mich gnadenvoll Sein Antlitz schauen. Die Huld die Er mir entgegenbrachte sprengt jegliche Beschreibung. Du hast dich deines Versprechens als würdig erwiesen, so nimm dieses Papier zurück, ich brauche es nicht mehr.“

Als Hasan erwachte, fand er das Dokument in seiner Hand.

Herr, Gott“, rief er „ich weiß sehr gut, dass was Du tust, das tust Du ohne es zu begründen, ausgenommen davon ist Deine Großzügigkeit. Wem sollte es an Deiner Tür an irgendwas ermangeln? Du gestattest es aufgrund eines einzigen Ausspruchs (des Glaubens­bekenntnisses) einem tapferen siebzigjährigen Mann in Deine Gegenwart zu gelangen. Wie willst Du dies dann einem siebzigjährigen Gläubigen verweigern?“


Geschichten aus dem

Tadhkirat al-Auliya’

(Erinnerung an die Heiligen)

von Farid ud-Din ATTAR

Übersetzt von M.M. Hanel
 
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