Sufizentrum Braunschweig
  Wehret den Anfängen
 



Wehret den Anfängen!



Scheikh Ahmad Kreusch


„Wir Deutsche, deren Eltern bestimmte Phasen in Deutschland vor 75 Jahren hautnah miterlebten, haben dazu eine ganz andere Beziehung als unsere Glaubensbrüder und -schwestern aus dem Orient“

„Nicht alle Achtundsechziger haben nach dem raschen Ende des Aufstandes den Marsch durch die Institutionen angetreten und sind Außenminister oder Bundeskanzler geworden. Einige wussten Besseres zu tun. Sie haben sich auf den nicht eben karriereförderlichen Weg nach innen gemacht und sind wie der Exkommunarde Hadayatullah Hübsch, der Jurist Norbert Müller, der Architekt Hans-Joachim Reinig oder die Filmemacherin Re Karren Muslime geworden. Zu diesen zu neuen Ufern Strebenden gehört auch der bei Köln lebende Architekt, Maler, Musiker und Schriftsteller Ahmed Kreusch, der vor allem durch seine kalligrafischen und abstrakten Arbeiten auch über den Kreis seiner Glaubensgeschwister hinaus bekannt geworden ist“ (Zitat: Peter Schütt, siehe auch untere link und Text „Rilke und der Islam“) Hier nun ein Text von Ahmad Kreusch:

Es ist an der Zeit, unmissverständlich klarzumachen, dass die Kopftuchdiskriminierung und andere „Maßnahmen“, die Muslime in Deutschland betreffen, oft einen rassistischen Hintergrund haben. Wir Deutsche, deren deutschen Eltern eine bestimmte Phasen in Deutschland vor 75 Jahren hautnah miterlebten, haben dazu wahrscheinlich eine ganz andere Beziehung als unsere Glaubensbrüder und -schwestern aus dem Orient.

Die PolitikerInnen und JournalistInnen, die sich für ein Kopftuchverbot stark machen und behaupten, das Kopftuch stehe für einen fanatischen Islam, so wie sie ihn sehen, also gegen Menschenrechte und für die Unterdrückung der Frauen, haben außer Einzelfällen keine Beweise dafür. Sie nehmen aber dafür in Kauf, dass ein Kopftuchverbot eben gerade Frauen diskriminiert und ihnen das Leben schwer macht, und zwar nicht nur bei der Job- und Wohnungssuche. Auch die Diskriminierung durch Blicke, verbale Anmache und sogar Handgreiflichkeiten in der Öffentlichkeit, auf der Straße, im Supermarkt oder in Bus und Straßenbahn haben deutlich zu genommen. Frauen, die sich seit Jahren auch für „westliche Ansprüche“ eindeutig integriert und emanzipiert haben, nämlich Lehrerinnen, Beamtinnen sollen jetzt bestraft werden, wenn sie sich diesem Verbot widersetzen? Was ist ihr Verbrechen? Ein schreiender Widerspruch zur Behauptung, man wolle sich für die Rechte von Frauen einsetzen.
Präzise lassen sich folgende Fragen stellen und beantworten: Wem nützt das Kopftuchverbot? Keinem!

Wen soll das Kopftuchverbot vor wem schützen?
Offensichtlich die nichtmuslimischen Menschen hier und ihre Kinder vor dem Islam. Denn die Lehrerinnen, die seit über zwanzig Jahren ohne Tadel unterrichten, haben ja wohl bewiesen, dass sie nicht gefährlich sind.
Damit ist eigentlich schon klar, dass hier pauschal der Islam als gefährlich eingestuft wird. Man will den Islam „maßregeln, korrigieren“ und zielt deshalb auf die Bekleidung muslimische Frauen. Warum nicht die Bärte und Kopfbedeckungen der Männer? Und das soll keine Diskriminierung sein?
Jetzt werden Frauen, die sich gegen diesen Eingriff in ihre persönliche Sphäre wehren, verdächtigt, fanatisch zu sein. Das bedeutet aber vor allem, dass diese Maßnahme voll zu Lasten der Frauen geht, die man offensichtlich für die Schwachstelle der islamischen Gesellschaft hält.

Auch der Vorschlag, religiöse Symbole aller Kulturen aus den Schulen und Bildungsanstalten zu verbannen, ist unlogisch: Ein Unrecht für die einen wird nicht dadurch zum Recht, dass es für alle gelten soll. Logisch ist, dass es dann auch Unrecht für alle wird. Eine Ohrfeige, die man ohne Grund einem gibt, tut dadurch nicht weniger weh, dass man jetzt „gerecht“ an alle Ohrfeigen verteilt. Eine solche Maßnahme ist auch praktisch kaum durchführbar, denn sie müsste auch die Schulbücher und das Bild des Bundespräsidenten an der Wand mit einbeziehen und vieles mehr.

Schon das Schächtungsverbot hat eine Parallele zur Nazizeit. Damals maßregelten die Nazis die Juden mit ähnlichen heuchlerisch-haarsträubenden Tierfreund-Argumenten durch ein ähnliches Verbot. Im Gegensatz dazu kann jeder deutlich sehen, wie sich z.B. Schweine oder Rinder im Schlachthof durch den Elektroschock oder den Bolzenschuss schlagartig so verspannen, dass sich sogar die Schlappohren blitzschnell steif aufrichten. Das Fleisch dieser so getöteten Tiere fühlt sich hart an, die Beine stehen starr vom Körper ab.

Schon wurden von Politikern Fragebögen zur „Gesinnungs-Überprüfung“ von Immigranten aus islamischen Ländern diskutiert, ebenso wie Aufenthaltsverbote für Muslime z.B. im Bereich von Flughäfen. Wann wird es wieder Berufsverbote geben?
Inzwischen haben auch jüdische Verbände angesichts dieser Entwicklung auf die erschreckende Parallele mit der Zeit vor ca. 75 Jahren hingewiesen. Ein gesetzliches Kopftuchverbot und ähnliche staatliche Maßnahmen müssen deshalb heute von den Muslimen als ein deutliches Zeichen dafür aufgefasst werden, dass man sie ausgrenzen will, genau so wie man die Juden vor 70 Jahren bewusst und bösartig ausgrenzen wollte.

Auch die jüngsten Ereignisse um die dänischen Karikaturen zeigen, dass es immer wieder Medien gibt, die bewusst den Islam und seinen heiligen Propheten verspotten und verhöhnen. Auch wenn viele andere das kritisieren, wird dennoch immer die berühmte „Meinungsfreiheit der Presse“ beschworen. Niemand scheint zu begreifen, dass eine Verspottung dessen, was gläubigen Menschen heilig ist, einen bewusster Missbrauch eben dieser Meinungsfreiheit darstellt, eine Verletzung, die umso schmerzhafter ist, weil sie nicht körperlich weh tut. Man stelle sich nur einmal vor, das Judentum und der Prophet Moses würden auf ähnliche Weise verhöhnt, es gäbe einen Sturm der Entrüstung. Politiker und Redakteure müssten ihren Hut nehmen.
Wehret den Anfängen, die schnell über das Stadium des Anfangs hinaus gewachsen sind. Müssen erst wieder „Bartholomäus-“ oder „Kristallnächte“ geschehen, damit unsere Politiker aufwachen?
 
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